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Samstag, 24. Juli 2010

Der Rundfunkstaatsvertrag und die Zensur

Heute war ich im Netz auf der Suche nach bestimmtem Informationsmaterial. Dazu ist das Netz ja da (auch wenn andere der Meinung sind, das Internet sei „for Porn“ ;). Vielleicht ist dem einen oder andren dabei auch schon das Passiert, was mir heute widerfahren ist. Ich stiess im Online-Angebot von 3Sat  auf folgenden Hinweis:
Sehr geehrte Zuschauerin, sehr geehrter Zuschauer
leider können wir Ihnen diese Seite nicht mehr anbieten, weil wir sie nicht unbegrenzt vorhalten dürfen. Das bestimmt die Änderung des Rundfunkstaatsvertrags der 16 deutschen Bundesländer (RÄStV § 11d Absatz 2 Ziffer 3) vom 1. Juni 2009.

Worum geht es hier? Die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten (ARD/ZDF) werden, wie es der Name schon andeutet, aus öffentlichen Geldern finanziert (GEZ). Wie es bei öffentlichen Geldern üblich ist muss daher genau festgelegt werden, wie diese Gelder verwendet werden. Das soll verhindern, dass hier Geld der Bürger zum Fenster hinausgeschmissen wird. An sich eine löbliche Sache.
In den letzten Jahren ist bei eben diesen Bürgern eine Kostenlos-Mentalität Mode geworden. Das Privat-Fernsehen ist kostenlos, ausserdem schauen die meisten doch eh nur RTL und Co. – warum sollen sie dann für das „Rentnerfernsehen“ bei ARD und ZDF  GEZ zahlen? Daraus entstand eine starke Anti-GEZ Bewegung.
Angeblich diente die Neufassung des Rundfunkstaatsvertrages dem Ziel, diesem „Volkszorn“ gerecht zu werden und für eine sinnvollere Nutzung der GEZ-Gebühren zu sorgen. Tatsächlich wurde dadurch das Angebot der Sender nicht verbessert – sondern es wurden die Interessen ganz anderer Gruppen befriedigt. Welche das sind, dazu komme ich gleich.

Die ÖR-Anstalten (ARD/ZDF) haben sich dabei selber ein Stück weit zur Zielscheibe gemacht, indem sie Absichten zeigten, ein Online-Angebot aufzubauen, dass über ihren eigentlichen Bildungs- und Informationsauftrag weit hinausging. Auf Deutsch gesagt reden wir hier von Unterhaltung, interaktive Inhalte, so zu sagen Fernsehen 2.0.

Wer hat da was dagegen? Nicht die GEZ-Zahler, sondern die Bertelsmann-Gruppe (RTL, Gruner&Jahr), die Pro7-Sat1-Sendergruppe, der Axel-Springer-Verlag etc. Eigentlich jeder größere deutsche Medienkonzern, der hofft, im Internet das Geld zu verdienen, das man mit dem Verkauf Druckmedien (Zeitungen/Zeitschriften), gedruckten Anzeigen und Werbezeit im Privatfernsehen schon lange nicht mehr (ausreichend) verdient. Gerade diese privaten Medien waren auch eifrig bemüht, die Anti-GEZ-Stimmung weiter anzuheizen, mit aufgeblasenen Berichten über angebliche Geldverschwendung bei ÖR-Medien.

Es geht also schlicht um Konkurrenz. Das wird auch dadurch deutlich, dass Vorgaben des europäischen Wettbewerbsrechts als eine Begründung für die Neufassung dienten. Die „subventionierten“ ÖR-Anstalten würden mit ihrem Angebot den Wettbewerb verzerren. Daraus entstand der sog. Beihilfe-Kompromiss.

Die Politik ist dabei meiner Meinung nach jedoch zugunsten privater Unternehmen und zum Nachteil der Bürger über das Ziel hinausgeschossen. Was bedeute das in der Praxis? Die ÖR-Anstalten können nicht einmal ihrem eigentlichen Informations- und Bildungsauftrag nachkommen, zumindest was das Internet angeht. Es darf im Internet über das journalistisch berichtet werden, was bereits im Fernsehen thematisiert worden ist. Informationen aus dem Fernsehen dürfen dabei vertieft werden – eine eigenständige Berichterstattung zu Themen, die nicht bereits im Fernsehen behandelt wurden, darf jedoch nicht stattfinden. Hinzu kommt die eingangs von mir als Beispiel angeführte, völlig unsinnige, zeitliche Begrenzung. Eine Nachricht, die älter ist als ein Jahr, findet im öffentlich-rechtlichen Internet nicht statt. Ich nenne das Dokumentation der Zeitgeschichte, was für mich ganz klar zum Bildungs- und Informationsauftrag gehört. Was hier passiert ist Zensur – und damit verfassungswidrig.

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